Papierfasern – Recycling ohne Grenzen
Wie oft kann man Karton recyceln? Praktiker und Forscher wollten das genau wissen und unterzogen Altpapierfasern dem Härtetest. Das Ergebnis räumt mit einem weit verbreiteten Mythos auf.
Wie oft kann man Karton recyceln? Praktiker und Forscher wollten das genau wissen und unterzogen Altpapierfasern dem Härtetest. Das Ergebnis räumt mit einem weit verbreiteten Mythos auf.
So einen Mixer hat nicht jeder: Ein so genannter „Blattbildner“, der Altpapier in kleinste Bestandteile zerlegen kann, ist ein Hightech-Forschungsutensil. Das Institut für biobasierte Produkte an der Technischen Universität Graz ist eine der wenigen Stellen, die für so ein Spezialgerät Verwendung hat. Das macht die Grazer zu den perfekten Forschungspartnern, um einem hartnäckigen Mythos auf die Spur zu gehen – dem Mythos der sieben Recycling-Zyklen.
Der Mythos der 7 Zyklen
„In der Papierindustrie hält sich vehement die Vorstellung, dass Papierfasern maximal sieben Mal recycelt werden können. Aus der Praxis wissen wir, dass das viel zu tief gestapelt ist. Dafür haben wir den wissenschaftlichen Beweis angetreten“, sagt Manfred Feichtinger von MM Board & Paper. Mit der TU verbindet seine Abteilung bereits eine lange Partnerschaft, gemeinsam wurde ein Experiment gestartet, um die Wiederverwertbarkeit von Faltschachtelkarton genauer zu untersuchen. Ein sehr zeitaufwändiger Versuch, für das Wissenschaftler ein Jahr lang im Labor gearbeitet haben. Das Ergebnis: „Karton kann beliebig oft recycelt werden, ohne dass er seine Festigkeitseigenschaften verliert“, fasst es Feichtinger zusammen.
Größere Fasern im Fokus
Über 25 Zyklen hat das Team um Studienleiter Rene Eckhart von der TU Graz einen Faltschachtelkarton durch den Recycling-Parcours geschickt. Ausgangsmaterial war ein ungestrichener Rohkarton aus weißen Akten, Spänen, gemischtem Altpapier, Verpackungen und Wellpappe. Der Karton wurde zunächst in einem Labordrucksortierer vorbehandelt, um ihn von mineralischen Bestandteilen zu trennen, die das Versuchsergebnis verzerrt hätten. Dass in diesem Schritt auch ein beträchtlicher Teil des Faserfeinstoffes verloren geht, nahmen die Forscher in Kauf: Die interessierten sich vordringlich für das Verhalten der größeren Papierfasern nach mehreren Zyklen.
Der so entstandene Rohstoff wurde „aufgeschlagen“, also in kleinste Bestandteile zerlegt – dafür kam der eingangs erwähnte „Blattbildner“ zum Einsatz. Siebwasser, das im Rahmen der Blattbildung in Richtung Kanal geht, wurde aufgefangen und zum Befeuchten der Blätter im Rahmen der weiteren Rezyklierung verwendet. Beim wiederholten Recyceln kam also kein zusätzliches Frischwasser zum Einsatz, auch um den Verlust von Fasermaterial so gering wie möglich zu halten. „Dennoch ist ein Verlust von etwa einem Prozent des Fasermaterials unvermeidbar, weil nicht alles vom Sieb aufgefangen werden kann“, sagt Rene Eckhart von der TU.
Keine Grenze in Sicht
Auf die entscheidenden Eigenschaften des Recyclingmaterials hat das aber keine negativen Auswirkungen: Weder nimmt die Wasserfestigkeit des Kartons ab, noch leidet die Festigkeit darunter. „Grundsätzlich kann man aber anhand der vorliegenden Studie ganz klar festhalten, dass der Faserstoff an sich eine Rezyklierung über 25 Zyklen hinweg ohne weiteres zulässt und dass auch kein begrenzender Trend abzusehen ist“, heißt es im Abschlussbericht, den Feichtinger und Eckhart gemeinsam verfasst haben. Die Ergebnisse würden zeigen, dass Faltschachteln eine sehr nachhaltige Verpackungslösung seien: Sie können anscheinend beliebig oft rezykliert werden, nur die Altpapiersammelquote und Verluste beim Reinigen des Ausgangsmaterials schränken das ein.
Für die Praxis ändert sich dadurch nichts: „Wir haben schon immer so viel und so oft wie möglich rezykliert, aber jetzt haben wir den Beweis, dass damit kein Qualitätsverlust verbunden ist“, sagt Feichtinger. Das aufwändige Experiment habe sich auf jeden Fall gelohnt.