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Update: EU Kreislaufwirtschaftspaket und Einweg-Kunststoffrichtlinie

Sowohl die Corona-Pandemie als auch der Klimawandel führen uns vor Augen, dass Sicherheit und Wohlstand davon abhängen, wie wir Gemeingüter, wie öffentliche Gesundheit und Klimastabilität, langfristig erhalten: Die Gesellschaft und Wirtschaft müssen widerstandsfähig, nachhaltig und klimafreundlich aufgebaut sein. Das EU Kreislaufwirtschaftspaket mit der Einweg-Kunststoffrichtlinie (Single Use Plastics Directive, SUPD) und der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle (Packaging and Packaging Waste Directive, PPWD) können hier unterstützen und neben den ökologischen Aspekten (Entlastung der Umwelt von Abfall und Ressourcenverbrauch) auch wirtschaftliche (Investitionen und Wachstum) und soziale (Schaffung von Arbeitsplätzen) abdecken.

Green Deal – Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft zusammen denken
Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft wirken zusammen. Im Dezember 2019 hat die EU den Green Deal präsentiert und damit verbunden eine Reihe von Politikinitiativen, die dafür sorgen sollen, dass Europa das übergeordnete Ziel von Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 erreicht. Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 um 50 % – 55 % (statt der bisherigen 40 %) reduziert werden.
Als Teil des Green Deals wurde am 11. März 2020 ein neuer Aktionsplan der EU Kommission vorgestellt, mit dem Ziel, die Entwicklung zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Der Aktionsplan soll die Rechte der Verbraucher stärken sowie nachhaltige Produkte in der EU zur Norm machen. Produkte, die in der EU auf den Markt gebracht werden, sollen eine längere Lebensdauer aufweisen, leichter wiederzuverwenden, zu reparieren und zu recyceln sein und einen hohen Anteil an Sekundär- anstelle von Primärrohstoffen enthalten. Abfälle sollen möglichst vermieden werden oder als hochwertige Sekundärrohstoffe gehandelt bzw. verwendet werden können. Die Kommission denkt zudem an ein EU-weites, harmonisiertes Modell für die getrennte Sammlung von Abfällen und deren Kennzeichnung.
Den Fokus des Green Deals legt die Kommission auf die sogenannten „high-impact“ Sektoren (Textil-, Bau- und Elektroindustrie). Was die Verpackungsbranche anbelangt, formalisiert der Aktionsplan den Ansatz der EU-Kommission:

  • Reduktion von überschüssigem Verpackungsmaterial und Verpackungsabfällen sowie der Komplexität von Verpackungen und der Anzahl der verwendeten Materialien
  • Kunststoffe – Neue verbindliche Anforderungen an das Recyceln und an den Recyclinganteil; besonderer Fokus auf Mikroplastik sowie biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe
  • Lebensmittel – neue Gesetzesinitiative, um Einweg-Kunststoffverpackungen im Food Service Bereich zu ersetzen

Einweg-Kunststoffrichtlinie – Deutscher Verordnungsentwurf
Durch die Einweg-Kunststoffrichtlinie, die die EU im Juni 2019 verabschiedet hat, sollen ab 3. Juli 2021 Produkte aus Plastik, für die es nachhaltigere Alternativen gibt, verboten werden. Plastik-Lebensmittelverpackungen sollen spürbar reduziert werden. Im Zuge der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR, Extended Producer Responsibility) sollen die Produzenten für den verursachten Abfall aufkommen. Die Länder sind gefordert, die Richtlinie nun in nationales Recht umzusetzen.
Das deutsche Bundesumweltministerium (BMU) hat im April 2020 den Entwurf einer Einweg-kunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV) vorgelegt. Damit setzt das BMU die Verbots-Vorschriften der SUPD-Richtlinie 1:1 in deutsches Recht um. Aus dem Food-Service-Bereich werden etwa Teller, Besteck, Trinkhalme und Rührstäbchen aus Kunststoff verboten. Ferner umfasst das Verbot Serviceverpackungen aus Styropor (PS Polystyrol) und generell Produkte aus oxo-abbaubarem Kunststoff.
Der vom BMU vorgelegte deutsche Entwurf geht nicht über die in der SUPD-Richtlinie erfassten Verbote hinaus und übernimmt die Definition von „Kunststoff“ unverändert. Der finale Abstimmungsprozess ist noch im Laufen.

Umstrittene Definition von Kunststoff in der SUPD
„Kunststoff“ ist in der SUPD allerdings umstritten definiert als synthetisches Polymer, das als 

  • „Hauptstrukturbestandteil von Endprodukten fungieren kann,
  • ausgenommen natürliche Polymere, 
  • die nicht chemisch modifiziert wurden.“  (vgl. Artikel 3 der RICHTLINIE (EU) 2019/904 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 5. Juni 2019)

Ein „Einweg-Kunststoffartikel“ liegt vor, wenn ein Artikel „ganz oder teilweise“ aus Kunststoff besteht. Über die praktische Bedeutung der Definitionen besteht nach wie vor rechtliche Unsicherheit.
Um Klarheit über die „Kunststoff“-Definitionen zu schaffen und weiter zu präzisieren, ob ein Artikel als ein Einweg-Kunststoffartikel im Sinne der Richtlinie einzuordnen ist, hat sich die Kommission in der SUPD-Richtlinie verpflichtet, Leitlinien zu Einweg-Kunststoffartikeln zu veröffentlichen. Nun wurde auch ein erster Entwurf vorgelegt. Danach würde ein Kunststoffartikel bereits dann vorliegen, wenn Polymere – unabhängig von ihrem Masseanteil am Gesamtprodukt – für die beabsichtigte Funktion des Produkts essenziell sind. Damit könnten auch Papierverpackungen, die mit Kunststoff beschichtet sind, unter die Richtlinie fallen, auch wenn die Kunststoffe nur einen geringen Masseanteil an der gesamten Verpackung haben.

Aufruf zur Änderung der SUPD-Definitionen
Juristen weisen bereits darauf hin, dass diese Definition dem Sinn der Richtlinie widerspricht und zu Problemen in der Rechtsprechung führen könnte. Auch Pro Carton sowie ein breites Bündnis der Karton- und Faltschachtelwertschöpfungskette haben ihre Bedenken dargelegt und fordern eine Nachbesserung im Sinne des ursächlichen Gedankens – der Reduzierung von Plastik in den Weltmeeren.
Die Definition von „Kunststoff“ und was „ein Hauptstrukturbestandteil“ im Sinne des Entwurfs der Einweg-Kunststoffrichtlinie darstellt, konterkarieren so das Ziel der Verordnung, die Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt und vor allem in den Meeren zu verhindern und zu verringern. Eine Lösung könnte darin liegen, Grenzwerte von Kunststoffen vorzugeben, der in Produkten (% Masseanteil) enthalten sein kann, ohne zu einer Einordnung als Kunststoffprodukt zu führen.

Die Entwicklungen rund um Covid-19 haben uns vor Augen geführt, dass es mehr denn je oberstes Ziel der Kreislaufwirtschaft sein muss, Nachhaltiges mit dem Wirtschaftlichen zu verbinden. Es gilt zu beweisen, dass ökologische Zielsetzungen, wie das Einsparen von Ressourcen dennoch ökonomisches Wachstum bedeuten kann. Das EU Kreislaufwirtschaftspaket sowie die Einweg-Kunststoffrichtlinie sind wichtig und richtig. Das eigentliche Ziel, Abfall durch Verzicht auf Plastik-Einwegprodukte, die am häufigsten achtlos weggeworfen werden und in den Meeren zu großen Problemen führen, einzudämmen, darf aber nicht aus den Augen verloren werden.

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