Experteninterview – Nachhaltiges Verpackungsdesign
Drei Experten in Sachen Verpackungsdesign über aktuelle Trends, Herausforderungen und Nachhaltigkeit.
SUSANNE LIPPITSCH
arbeitet seit 2001 selbstständig im Bereich „Structural Package Design“ und unterrichtet Verpackungsdesign an der FH Joanneum in Graz, der Werbe & Design Akademie in Salzburg und am Lehrgang für Verpackungstechnologie an der FH Wien.
Wie kann der Hersteller bzw. die Marke von nachhaltigen Verpackungen profitieren?
Es ist wohl eher die Frage, wer sich „nicht-nachhaltige Verpackungen und Produkte“ auf lange Zeit leisten wird können. Bewegungen wie „Fridays for Future“ haben zum Glück inzwischen weltweit große Auswirkung und der nachkommenden Generation, den zukünftigen Konsumenten, ist klar, dass vieles geändert werden muss und wir es uns nicht leisten können, weiter so zu wirtschaften und zu konsumieren.
Welchen Beitrag kann Design für nachhaltige Verpackungen leisten?
Einen sehr großen – Design-4-Recycling ist absolut zukunftsträchtig und wird vermehrt gefragt sein.
Stichwort Öko-Design bzw. Design-4-Recycling – Was bedeutet dies aus ihrer Sicht?
Materialien sinnvoll, gut trenn- und recycelbar einzusetzen, diese wenn möglich regional zu beziehen und den Carbon Footprint auch in Bezug auf Transportwege mit einzubeziehen.
Stichwort „Second Life“ im Verpackungsdesign – Können Sie hier konkrete Beispiele nennen?
Da fällt mir die Verpackung der MAM Schnuller ein, die das Produkt nicht nur im Verkauf optimal präsentieren und schützen, sondern danach als Sterilisationsboxen für die Schnuller genutzt werden können. Auch die Ottakringer Bierrutsche ist eine großartige Idee, die dafür sorgt, dass unten immer die kühlste Bierflasche entnommen werden kann, während man oben Neue nachfüllt. Eine tolle Verpackung, die auf Produkt und Zielgruppe maßgeschneidert ist.
Was sind die generellen Herausforderungen im Verpackungsdesign?
Konsumenten- aber auch produzentenseitig das Bewusstsein zu schaffen, dass nachhaltige Produkte momentan einfach mehr Geld kosten. Solange da politisch und steuerlich nichts geschieht, werden Produkte aus Billigproduktionsländern, aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus, oft das Rennen machen.
Haben sich die Anforderungen von Konsumgüterindustrie und Handel an Verpackungen und ihrem Design in den letzten Jahren verändert? Was sind die Trends?
Nachhaltigkeit und Circular Economy sind auch bei den Auftraggebern verstärkt Themen. Das Erfüllen dieser Anforderung steht leider oft in Widerspruch mit einer möglichst kostengünstigen Verpackungslösung und den bestehenden Produktionsanlagen.
GERLINDE GRUBER
machte sich im Bereich Verpackungsdesign nach ihrem Informationsdesign-Studium an der FH Joanneum 2011 in Wien selbstständig. Sie unterrichtet Packaging Design und Prototyping an der Graphischen in Wien.
Stichwort Öko-Design bzw. Design-4-Recycling – Was bedeutet dies aus ihrer Sicht?
Ich habe den Anspruch, dass sich keiner ärgern muss, wenn er mit meinen Verpackungsdesigns zu tun hat. Weder beim Transportieren, Lagern, beim Verwenden, Aufbewahren oder Entsorgen sollen meine Verpackungen mühsam sein.
Das richtige Design kann den Kunden dabei unterstützen die Verpackung richtig zu verwenden und sie nach ihrem Gebrauch auch richtig zu entsorgen. Eine Kartonverpackung, die sich ganz leicht flach zusammenlegen lässt, erhöht die Chance, dass die Verpackung gesammelt wird und dann in die richtige Tonne wandert.
Duale Systeme wie z. B. der Grüne Punkt in Deutschland bieten zu Design-4-Recycling Hilfestellungen und Guidelines an. Wir DesignerInnen können beispielsweise darauf achten, dass wir Etiketten für unsere Kunden bestellen, die sich von den Gläser leicht runterlösen lassen oder bei Kunststoffverpackungen sollten eher helle Farben verwendet werden, da diese leichter zu recyceln sind. Wir sollten dort wo es möglich ist auf Verbundstoffe verzichten.
Im besten Fall ist die Verpackung mehr als nur schöne Hülle und trägt, neben der Möglichkeit des Recycelns, noch ein weiteres Leben, ein Second Life, in sich.
Können sie Erfolgsbeispiele für Design-4-Recycling nennen, die zur Absatzsteigerung des Produktes selbst geführt haben?
Das Start-up Zirp Insects hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Konsumenten die Proteinquelle der Zukunft, Insekten, schmackhaft zu machen. Am Anfang wurden die gefriergetrockneten Insekten in Standard-Gewürzverpackungen aus Papier abgepackt. Ich habe das Redesign des Auftritts mitbegleitet und zeige mich für die neue Stanzkontur der Verpackungen verantwortlich. Jetzt werden die Produkte in einer individuellen Kartonbox, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Marke, abgepackt.
Mit unserem Designansatz sprechen wir die Konsumenten auf der emotionalen Ebene an: Die charmante Aufmachung ist an das Kind in einem gerichtet und zeigt, dass es Spaß macht etwas Neues zu probieren. Um die Authentizität der Marke zu unterstreichen setzten wir auch beim Verpackungsdesign auf Nachhaltigkeit. Die individuelle Stanzkontur ermöglicht die Verwendung von Karton mit geringer Grammatur. Da die Verpackung ohne Verklebung auskommt, können die Innenseiten für hilfreiche Informationen rund um essbare Insekten sowie für Zubereitungstipps und Rezepte genutzt werden und zusätzliches Informationsmaterial kann eingespart werden.
Seit dem Redesign ist Zirp Insects im wahrsten Sinne in aller Munde!
Welche Arten von Verpackungen erwarten sie in der Zukunft?
Ich ärgere mich immer wieder, wenn ich mit Mühe eine Blisterverpackung aufschneiden muss. Hier wird Kunststoff in überbordendem Maße eingesetzt, obwohl es doch z. B. gar nicht nötig wäre einen simplen Bleistift hermetisch von der Außenwelt abzuriegeln – und das Thema des Diebstahlschutzes kann man auch anders lösen. Und ist es wirklich nötig in der Eisdiele durchwegs beschichtete Becher anzubieten? Kurz gesagt: Wir gehen viel zu verschwenderisch mit Verpackungsmaterial um und dabei ist es dann oft nicht mal schön anzuschauen.
Deshalb denke ich, dass in Zukunft der Designaspekt immer wichtiger werden wird. Nicht nur um sich vom Mitbewerb abzuheben und um sich für die Zielgruppe richtig in Szene zu setzen, sondern vor allem auch um ressourcenschonende Verpackungen zu erarbeiten die leichtes Entsorgen und Recyceln im Blick haben. Schlaue Lösungen werden gefragter denn je sein!
ANDREW STACK
ist Strategic Consultant bei PacProject, einer Agentur für Verpackungskonzepte und -lösungen mit Sitz in Hamburg.
Haben sich die Anforderungen von Konsumgüterindustrie und Handel an Verpackungen und ihrem Design in den letzten Jahren verändert? Was sind die Trends?
In den letzten Jahren waren Trends, die das subjektive Wohlbefinden des Konsumenten steigerten, sehr stark im Fokus:
— Convenience: Das Handling ist für den Konsumenten immer wichtiger geworden.
— On the go: Dadurch, dass die Konsumenten immer weniger Zeit haben und sie immer mehr unterwegs sind, essen und trinken Konsumenten auch verstärkt unterwegs.
— Personalisierung: Durch digitale Druckmaschinen, ist es mittlerweile für Firmen möglich, den Kunden personalisierte Verpackungen anzubieten.
— Convenience vs. Sustainability: Das Thema „Nachhaltigkeit“ war zwar schon immer präsent, aber durch die Schockbilder von vermüllten Stränden und Plastik in den Meeren, wird dem Konsumenten immer stärker bewusst, was die Folgen des endlosen Konsums sind. Das sieht man vor allem an Bewegungen wie „Fridays for Future“, wo die jüngere Generation auf die Straßen geht, um gegen den Klimawandel zu demonstrieren. Der Konsument wünscht sich immer mehr nachhaltigere Verpackungen und bevorzugt diese gegenüber der Kunststoffverpackung.
Was sind die aktuellen Herausforderungen im Verpackungsdesign?
Bei der aktuellen Verpackungsentwicklung stehen die R-Strategien im Fokus: Recycle – Reuse – Reduce. Dabei ist es das Ziel, Kunststoff in jeder Hinsicht zu reduzieren oder zu vermeiden.
Wie kann der Hersteller bzw. die Marke von nachhaltigen Verpackungen profitieren?
Eine klare Position bzw. ein klares Statement trägt zum Wert einer Marke bei. Es bietet sich die Möglichkeit, Vorreiter zu sein, statt abzuwarten. Durch eine nachhaltigere Verpackung kann sich eine Marke viel stärker von der Konkurrenz abheben. Zusätzlich dazu kann eine nachhaltigere Verpackung zu einer Umsatzsteigerung führen, da der Konsument eher eine nachhaltigere Verpackung kaufen würde als eine „nicht nachhaltige Verpackung“. Trotzdem warten viele Hersteller noch ab und stellen ihre Verpackungen nicht auf eine nachhaltigere Lösung um, da diese meist mehr kostet.