Sonnige Aussichten in Izmir
Mit einer neuen Solarthermieanlage produziert MM Graphia in Izmir erneuerbare Prozesswärme für den größten Produktionsstandort von MM Packaging in der Türkei.
Als Fuat Polat im April die neue Solarthermieanlage am Dach der Fabrik von MM Graphia im türkischen Izmir einweihte, konnte er mit einigen interessanten Zahlen aufwarten. Der Geschäftsführer des 500 Mitarbeiter starken Standorts ließ die versammelten Festgäste wissen, dass die drei Millionen Euro schwere Investition fortan für eine CO2-Einsparung von 3.000 Tonnen pro Jahr sorgen werden. „Das ist eine Zahl, die man sich nur schwer vorstellen kann. Leichter zu verstehen ist es, wenn man sich vorstellt, dass man damit die Emissionen von 1.000 Autos pro Jahr kompensiert“, sagt Polat. Und all das einzig mit der Kraft der Sonne.
Über sieben Milliarden Verpackungen werden von der MM Graphia-Fabrik in Izmir jährlich in die ganze Welt verschifft. Das Unternehmen versorgt aber auch den heimischen Markt: „50 Prozent unserer Produkte werden an internationale Kunden von Japan bis Kanada geliefert. Die restliche Hälfte bleibt in der Türkei. Um das abzudecken, arbeiten unsere Produktionsstätten auf maximaler Kapazität“, sagt Polat.
CO2-Reduktion
Um die Verpackungsprodukte herzustellen, braucht es präzise eingestellte Umweltbedingungen in der Fabrik in Izmir. Sowohl Temperatur als auch Luftfeuchtigkeit müssen ständig reguliert werden, weil Papier- und Kartonerzeugnisse sehr heikel in der Herstellung sind – und dementsprechend energieintensiv. „Unser bisheriges Klimatisierungssystem war für die Hälfte unseres Gesamtenergieverbrauchs in den Produktionshallen verantwortlich und näherte sich dem Ende seines Lebenszyklus. Deshalb begannen wir schon vor drei Jahren, uns nach neuen Wegen für Heizung und Kühlung umzusehen“, sagt Polat, der gleichzeitig nach Höherem strebte: Seit immer mehr wichtige Kunden die Reduktion von klimaschädlichen Abgasen einforderten, musste nachgezogen werden. Zusätzlich machten die schwankenden Kosten von fossilen Brennstoffen ein rasches Handeln notwendig.
„Das Solarthermiesystem, das wir auf den Dächern unserer Produktionshallen installiert haben, besteht aus 4.500 Quadratmetern an Parabolrinnenkollektoren, die gemeinsam eine Spitzenleistung von über 3,5 Megawatt erzeugen. Diese Wärmeenergie wird gespeichert und kann so auch in Zeiten ohne Sonnenschein genutzt werden“, sagt Polat. Sieben bis acht Monate lang liefert die Sonne in diesen türkischen Breitengraden ausreichend Energie für die Produktion am Standort – genug, um 80 Prozent des Energieverbrauchs für Heizung und Kühlung der Fabrik abzudecken. MM Graphia ließ dafür die gegenwärtig größte industriell genutzte Solarthermieanlage Europas bauen. Ein Vorhaben in dieser Dimension geht nicht ohne technische Schwierigkeiten von statten – die aber gleich wie Einschränkungen durch die Pandemie und Lieferkettenprobleme überwunden werden konnten.
Vorbildfunktion
Nach der Fertigstellung lockte die Solarthermieanlage eine Vielzahl neugieriger Besucher nach Izmir. „Wir haben mittlerweile eine gewisse Vorbildfunktion für die Industrie inne. Kürzlich besuchte uns eine Abordnung des deutschen Konsulats. Die Gruppe war sehr beeindruckt von dem, was wir ihnen zeigen konnten“, sagt Polat. Laut ihm würden Unternehmen meist ausschließlich an Stromproduktion denken, wenn es um Solarenergie gehe. Aber die direkte Nutzung der Sonnenwärme für Heizungs- und Kühlungsprozesse wäre großteils ein ungewöhnliches Konzept in diesem Industriesegment – sogar in Zeiten der Energieknappheit.
Dennoch gibt Polat zu Protokoll, dass die Entscheidung für die Nutzung der Sonnenenergie nicht auf der aktuellen Energiekrise und Preissteigerung basierte: „Unsere Hauptmotivation war die langfristige Perspektive. Wir wollten unsere Abhängigkeit von konventionellen Energiequellen verringern und den CO2-Ausstoß reduzieren. Wir sind auch schon in den Vorbereitungen für den nächsten Schritt: Eine Photovoltaikanlage für elektrischen Strom.“ Mit rund einem Megawatt peak Leistung soll das Sonnenkraftwerk bei MM Graphia die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen weiter mindern.